Schwerpunktthema: Trauerseeschwalbe
sowie
Räumliche Verteilung der Feldlerche
Familienzusammenhalt von Blessgänse
Hötker, H. & J. van der Winden:
Vorwort
Trauerseeschwalben mussten in den letzten Jahrzehnten in Mitteleuropa beträchtliche Bestandsverluste hinnehmen und zählen heute zu den gefährdeten Brutvogelarten in Deutschland (Rote Liste Kategorie 1: vom Aussterben bedroht). Obwohl die Trauerseeschwalbe bei uns ursprünglich ein Bewohner natürlicher bis naturnaher Lebensräume ist, wird der Bestand der Art in weiten Teilen Deutschlands auf absehbare Sicht von speziellen Artenschutzmaßnahmen abhängig sein – unter anderem von Nestflößen, die sichere Brutplätze bieten. Das Ausbringen der Nisthilfen und viele andere, konkrete Hilfsmaßnahmen werden durch überwiegend ehrenamtlich tätige Spezialisten durchgeführt. Bei ihnen hat sich ein großer Erfahrungsschatz angesammelt, der helfen kann, Schutzmaßnahmen zu optimieren. Da jedoch viele der neueren Erkenntnisse nicht in schriftlicher Form verfügbar waren, schien eine Experten-Tagung der beste Weg zu sein, den Gedanken- und Erfahrungsaustausch herbeizuführen und die Erfahrungen nutzbar zu machen. Die Fachtagung „Trauerseeschwalben“ fand am 23. Februar 2002 im NABU-Institut für Vogelschutz (heute Michael-Otto-Institut im NABU) in Bergenhusen statt und brachte 22 der im praktischen Trauerseeschwalben-Schutz und in der Forschung aktiven Personen aus Deutschland und den Niederlanden zusammen. Es wurde über Bestandserhebungen, Bestandsentwicklung, Nahrungsökologie, praktische Erfahrungen im Trauerseeschwalben-Schutz und Schutzprioritäten berichtet und diskutiert. Insgesamt acht verschiedene Modelle von Trauerseeschwalben-Nistflößen boten zusätzlich ein reichhaltiges Anschauungsmaterial. Die Modelle zeigten eine erstaunliche Vielfalt als „Anpassung“ an die Gegebenheiten der Brutgewässer und die finanzielle Ausstattung der Schutzprogramme. Einige der Beiträge der Veranstaltung wurden zu Manuskripten zusammengefasst und werden in dieser Ausgabe der Vogelwelt gemeinsam präsentiert. Es handelt sich dabei sowohl um Übersichtsarbeiten für die Niederlande, Deutschland sowie zwei Bundesländer als auch um Studien, die spezielle Aspekte der Biologie der Trauerseeschwalben beleuchten. Die wichtigsten auf der Tagung diskutierten Vorschläge zum weiteren Schutz der Art sind in der Arbeit über die Trauerseeschwalbe in Deutschland zusammengefasst. Wir danken den Tagungsteilnehmern, den Autoren und den Schriftleitern der „Vogelwelt“ für ihre Hilfe bei der Realisierung dieses Projekts.
Hötker, H. & J. van der Winden:
Bestand, Verbreitung und Schutz der Trauerseeschwalbe Chlidonias niger in Deutschland 1990–2003 mit Vergleichen zu den Niederlanden
Nach starken Rückgängen blieb der Brutbestand der Trauerseeschwalbe in Deutschland und den Niederlanden von 1990 bis 2003 weitgehend konstant. In Deutschland schwankte er ohne erkennbaren Trend zwischen minimal 832 und maximal 1002 Brutpaaren und betrug 2003 ca. 870 Paare. Die Brutvorkommen beschränken sich auf die norddeutsche Tiefebene. Im Jahre 2002 brüteten etwa 77% der Trauerseeschwalben auf künstlichen Nisthilfen. Für den Erhalt der Brutpopulation ist der Schutz der Brutgewässer und potenzieller Ausweichgewässer notwendig. Störungen an den Brutplätzen müssen vermieden werden. Künstliche Nisthilfen sind zurzeit zum Bestandserhalt unverzichtbar. Zum nachhaltigen langfristigen Schutz der Trauerseeschwalbe in Nordwesteuropa wird empfohlen, ein natürlicheres Management der Brutgebiete durchzuführen, das insbesondere eine natürliche Dynamik der Wasserstände inklusive periodischer Überflutungen zulässt, und neue potenzielle Bruthabitate zu schaffen.
van der Winden, J.:
Schutz von Trauerseeschwalben Chlidonias niger in den Niederlanden – eine Übersicht
Der Brutbestand der Trauerseeschwalbe in den Niederlanden ist seit 1950 um mehr als 90 % zurückgegangen. Da allgemein vermutet wurde, dass der Verlust von Neststandorten der wichtigste Faktor für die Rückgänge war, begannen Artenschutzmaßnahmen zunächst mit der Ausbringung von Nestflößen in Mooren und in landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Seit 1992 wurde dann mit einem gesteigerten Forschungsaufwand versucht, die tatsächlichen Gründe für den enormen Rückgang in den Niederlanden zu ermitteln. Zunächst wurde erkannt, dass die Bestandsrückgänge vor allem durch eine geringe Reproduktion (in den holländischen Feuchtgebieten) und nicht durch Probleme in den Zug- oder Überwinterungsgebieten verursacht wurden. Es gibt drei wesentliche Gründe für den schlechten Bruterfolg: ungeeignete Nestunterlagen, menschliche Störungen und unzureichende Nahrungsmenge oder -qualität. Die früher als Nestunterlage gut geeigneten Bestände der Krebsschere verschwanden durch das Wassermanagement fast vollständig, und Alternativen wie schwimmenden Nymphaeiden-Wurzeln sind als Nestunterlage weniger verlässlich. Ständige Störungen während der Kükenphase können die jungen Seeschwalben dazu zwingen, ihr Nest dauerhaft zu verlassen. Dies hat zur Folge, dass sie schneller auskühlen, also einen höheren Energiebedarf haben, aber auch weniger Nahrung bekommen, und in der Konsequenz hungern müssen. In vielen Feuchtgebieten ist die Vielfalt der Kükennahrung gering, so dass viele Küken verhungern, wenn die Hauptnahrung ausfällt. Insbesondere die Kombination von Störungen und ungünstigen Ernährungsbedingungen verstärkt die Effekte. Heutzutage brüten fast all niederländischen Trauerseeschwalben auf Nestflößen. Falls diese in guten Gebieten angeboten werden, ist die Besiedlungsrate durch Seeschwalben relativ hoch. Der Bruterfolg kann jedoch niedrig sein, wenn die Flöße zu hohe Ränder haben, so dass Küken nicht auf sie heraufklettern können. Wenn Flöße in jedem Jahr an der gleichen Stelle angeboten werden, könnten Prädatoren lernen, sie aufzusuchen, um die Eier oder Küken zu erbeuten. Maßnahmen zur Verringerung der Störungen zeigten große Erfolge hinsichtlich des Bruterfolgs. In einigen landwirtschaftlich genutzten Gebieten in den Niederlanden führten experimentelle Habitatverbesserungen zu höheren Dichten der potenziellen Nahrungstierarten. Es handelte sich vor allem um alternatives Grabenmanagement, um die Schaffung von Sumpfelementen in landwirtschaftlichen Lebensräumen und weniger intensive Grabenrandpflege. Die Forschungsergebnisse sind heutzutage in breiter Weise in die landwirtschaftliche Praxis umgesetzt, und sie gehen einher mit finanzieller Unterstützung der Landwirte im Rahmen klar definierter Trauerseeschwalben-Management-Vereinbarungen. Trotz dieser positiven Ergebnisse wird empfohlen, die Schutzbemühungen für Trauerseeschwalben in Mooren zu verstärken, da (unvorhersehbare) Entwicklungen der Landwirtschaft das Brüten im landwirtschaftlichen Bereich in der Zukunft behindern könnten. Heutzutage ist es notwendig, entweder die Vegetationssukzession in den Mooren zurückzusetzen oder neue Sumpfflächen zu entwickeln, um genügend geeignete (primäre) Bruthabitate für Trauerseeschwalben zu schaffen.
Knief, W., O. Ekelöf, C. Ivens & W. Petersen-Andresen:
Bestand, Verbreitung und Schutz der Trauerseeschwalbe Chlidonias niger in Schleswig-Holstein
Hötker, H., C. Ivens & H. Köster:
Nahrungserwerb und Wahl des Koloniestandorts von Trauerseeschwalben Chlidonias niger auf Eiderstedt
Südbeck, P. & D. Wendt:
Übersicht über Bestandsentwicklung und Verbreitung der Trauerseeschwalbe Chlidonias niger in Niedersachsen 1971–2004
Meier-Peithmann, W.:
Die Trauerseeschwalbe Chlidonias niger in der Elbaue des Hannoverschen Wendlandes
Körner, F. & U. Marxmeier:
Die Trauerseeschwalbe Chlidonias niger am Dümmer – Ergebnisse des Artenhilfsprogramms von 1992–2004
van der Winden, J.:
Fische und Amphibien als Calciumquelle für Trauerseeschwalben Chlidonias niger in sauren Moor-Nahrungsgewässern
Elle, O.:
Einfluss der Hangneigung auf die räumliche Verteilung der Feldlerche Alauda arvensis
Die Hangneigung eines Standortes ist ein wichtiger Faktor bei der Habitatwahl der Feldlerche, der die Wirkung anderer Habitatfaktoren modifiziert. Über einen Zeitraum von zwei Jahren wurde auf zwei landwirtschaftlich genutzten Untersuchungsflächen in Südwest-Deutschland der Einfluss der Hangneigung quantitativ untersucht. Auf diesen Flächen werden Hangneigungswerte zwischen 0° und 24° erreicht. Die Quantifizierung der Hangneigung erfolgte mit Hilfe eines Geographischen Informationssystems (GIS). Die Definition der Auswahl unterschiedlicher Hangneigungsklassen durch die Feldlerchen ergab sich aus der Lage ihrer Territorien, welche im Freiland kartiert wurden. Die Unterscheidung zwischen „bevorzugten“ und „gemiedenen“ Hangneigungsklassen basiert auf dem quantitativen Vergleich der relativen Flächenanteile dieser Klassen in den Feldlerchen-Territorien mit der Verfügbarkeit dieser Klassen auf der gesamten Untersuchungsfläche. Überproportional ausgewählte Hangneigungsklassen wurden als „bevorzugt“ angesehen, unterproportional ausgewählte Klassen entsprechend als „gemieden“. Die Feldlerche bevorzugte moderate Hangneigungswerte bis 5°. Zwischen 7° und 11° geneigte Flächen wurden zwar noch von den Feldlerchen in nennenswerten Anteilen ausgewählt, aber bereits deutlich gemieden. Die Obergrenze der Hangneigung ausgewählter Flächen lag im Untersuchungsgebiet bei 15°.
Kruckenberg, H.:
Wann werden „die Kleinen“ endlich erwachsen? Untersuchungen zum Familienzusammenhalt farbmarkierter Blessgänse Anser alb. albifrons
Individuell markierte Jungvögel der Europäischen Blessgans bleiben mindestens bis weit in die Zeit des Frühjahrszugs mit ihren Elterntieren zusammen. Der Familienzusammenhalt löst sich frühestens im Januar, zumeist aber erst nach Februar bzw. März auf. Untersuchungen an anderen Blessgans-Unterarten, die den Zusammenhalt von Jungen und ihren Eltern auch über mehrere Jahre belegten, werden bestätigt. So wurden von den Jungen aus dem Sommer 1999 7% (2000: 29%) im zweiten Herbst und 4% im dritten Herbst zusammen mit mindestens einem Elternvogel beobachtet. Davon waren 6 Fälle mit den Eltern und Geschwistern, 4 mit den Eltern, 4 nur in Begleitung der Gans und keine nur in mit dem Ganter. Nach Verlust eines Elterntiers traten Vorjährige gemeinsam mit der Mutter (6 Fälle), nicht jedoch mit dem Vater auf.
Weitere Inhalte:
- Literaturbesprechungen
- DDA-Aktuell 4/2005
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