Volker Blüml, Nikolas Prior & Johannes Wahl:
Rastbestand und Verarbeitung von Goldregenpfeifer Pluvialis apricaria, Kiebitz Vanellus vanellus und Großem Brachvogel Numenius arquata in Deutschland im Oktober 2020
Am 17./18. Oktober 2020 fand nach 2003, 2008 und 2014 erneut eine europaweite Goldregenpfeifer-Synchronzählung statt. Kiebitz und Großer Brachvogel wurden bei dieser Zählung in Deutschland miterfasst, da sie in ähnlichen Habitaten rasten.
Beim Goldregenpfeifer wurden 45,2 % der in die Auswertung einbezogenen Individuen am vorgegebenen Wochenende und fast alle Vögel (97,8 %) innerhalb eines Zeitraumes von sieben Tagen um das Zählwochenende erfasst. Insgesamt wurden 176.295 Goldregenpfeifer gezählt. Das Rastgeschehen konzentrierte sich auf die Bundesländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit den naturräumlichen Regionen Nord- und Ostseeküste sowie in geringem Umfang dem nordostdeutschen Tiefland. Korrigiert um Erfassungslücken dürfte der Rastbestand am Zählwochenende bei rund 190.000 Ind. gelegen haben. Es wurden ca. 34.000 Individuen weniger als im Oktober 2008 und 43.000 Individuen weniger als 2003 erfasst. Vor allem binnenländische Rastplätze haben an Bedeutung verloren. 50,8 % rasteten in EU-Vogelschutzgebieten. 38 % der gezählten Goldregenpfeifer wurden auf Grünland und 58 % auf Äckern, vor allem Wintergetreidefeldern und Stoppeläckern angetroffen.
Dazu wurden 180.155 Kiebitze erfasst. 2008 wurden noch etwa 420.000 Kiebitze gezählt (unveröff. Daten). Der Rastbestand ist damit stark, möglicherweise um mehr als 50 % zurückgegangen. Wie stark der Rückgang tatsächlich war, konnte nicht zuverlässig eingeschätzt werden (Rückgang, Witterung, besserer Erfassungsgrad 2008). Es erfolgt deshalb keine Schätzung des deutschlandweiten Rastbestandes. Kiebitze waren viel gleichmäßiger über das Bundesgebiet verteilt und rasteten viel stärker im Binnenland als Goldregenpfeifer, vor allem auch im küstenfernen nordostdeutschen Tiefland, dafür in wesentlich geringerem Umfang an der Ostseeküste. Mit 53,8 % war der Anteil der in EU-Vogelschutzgebieten rastenden Kiebitze etwas höher als jener der Goldregenpfeifer. Kiebitze nutzten Grün- (44 %) und Ackerland (48 %) zu ähnlichen Anteilen, wobei Schwarzäcker, Stoppelfelder und Wintergetreide zu fast gleichen Anteilen genutzt wurden.
Außerdem wurden 101.602 Große Brachvögel erfasst und ein Bestand von rund 110.000 Vögeln geschätzt. Sie konzentrierten sich stark im Wattenmeer und angrenzenden Bereichen. Mit 91,5 % rasteten die meisten Großen Brachvögel in EU-Vogelschutzgebieten. Bevorzugte Habitate waren Salzwiesen, Vorländer, Wattflächen und Gewässer, außerdem Grünland, dafür in viel geringerem Maße als bei den anderen erfassten Arten auch Äcker.
Götz Ellwanger:
Das Vorkommen des Bartlaubsängers Phylloscopus schwarzi in Europa
Bis Ende 2020 wurden 902 Bartlaubsänger in Europa festgestellt. Der Erstnachweis erfolgte bereits 1898 in Großbritannien. Seit Anfang der 1970er Jahre konnte die Art fast alljährlich in Europa nachgewiesen werden, und die Jahressummen stiegen bis auf 53 Individuen im Jahr 1999 an. In der folgenden Dekade blieb die Anzahl der Nachweise auf dem Niveau der 1990er Jahre, steigerte sich aber gegen Ende der 2010er Jahre wieder und mündete mit 66 Individuen im Jahr 2020 in einem neuen Höchstwert. Die Nachweise verteilen sich auf 23 Länder und die Faröer Inseln. Die meisten Bartlaubsänger wurden in Großbritannien (494 Ind.) festgestellt, es folgen Schweden (109 Ind.), Niederlande (56 Ind.), Belgien und Deutschland (je 33 Ind.) sowie Finnland (31 Ind.) und Dänemark (30 Ind.). Die geografische Verteilung der Nachweise zeigt einen schmalen Korridor vom südlichen Finnland bis nach Großbritannien und in die Bretagne (Frankreich). Der Wegzug in Europa konzentriert sich auf den Zeitraum von Ende September bis Ende Oktober. Der Median der Erstbeobachtungstage liegt in Nordeuropa zwei Tage vor Mitteleuropa und eine Woche vor Westeuropa. In Südeuropa wird der Median knapp eine weitere Woche später erreicht. Für den Heimzug liegen lediglich vier Nachweise aus Europa vor. Eine Überwinterung konnte hier bisher nicht nachgewiesen werden. Weiterhin werden die Nachweise in Deutschland dargestellt.
Abschließend wird die Zugökologie der Art mit anderen sibirischen Laubsängerarten verglichen und eine Einordnung des Vorkommens der Art in Europa hinsichtlich der möglichen Treiber für dieses Phänomen vorgenommen.
Torsten Langgemach, Tobias Dürr, Ulrich Hein, Silvio Herold, Jörg Lippert & Paul Sömmer:
Verlustursachen beim Rotmilan Milvus milvus in Brandenburg im Laufe der letzten drei Jahrzehnte
Im Rahmen systematischer Dokumentation von Verlustursachen bei Greifvögeln wurden von 1991 bis 2022 602 Rotmilan-Verluste in Brandenburg registriert. Die Auswertung erfolgte anhand standardisierter Fundprotokolle und pathologischer Befunde. Sie erfolgt getrennt für Jungvögel bis zur Ästlingsphase (n = 176) und flügge Vögel aller darauffolgenden Altersklassen (n = 426).
Bei den noch nicht flüggen Vögeln dominieren natürliche Todesursachen, vor allem Prädation und Absturz aus bzw. mit dem Nest (zusammen 77 % der Verluste in dieser Altersklasse). Die übrigen setzen sich aus Opfern illegaler Verfolgung, Verlusten durch Strangulation, Krankheiten und wenigen sonstigen Fällen zusammen. Bei den flüggen Vögeln fällt ein hoher Anteil anthropogen verursachter Mortalität auf. Aufgrund der Kategorien „Trauma unbekannter Ursache“, „sonstige Ursachen“ und „unklare Todesursache“ (zusammen 19,4 % in dieser zweiten Altersgruppe) lässt sich dieser Anteil nicht genau beziffern. An erster Stelle steht die Kollision mit Windkraftanlagen mit einem Anteil von 32,9 % bzw. 39,7 % seit 2008. Der Verkehr an Straßen und Schienen verursachte 19,2 % der dokumentierten Verluste und lässt keine Zu- oder Abnahme erkennen. Die Abnahme von Freileitungsopfern (insgesamt 9,1 %) geht vor allem auf die erfolgreiche Sicherung der Mittelspannungsmasten auf der Grundlage des § 41 BNatSchG zurück. Nach 2016 wurden keine Stromopfer mehr registriert; Leitungsanflug spielt beim Rotmilan nur eine untergeordnete Rolle (1,6 % der Verluste flügger Individuen). Es folgen menschliche Verfolgung (5,2 %) und Vergiftungen (2,6 %). Werden gezielte Vergiftungen (sechs von elf Vergiftungsfällen) und früherer Beschuss (als Nebenbefund) der menschlichen Verfolgung zugeordnet, so sind 7,7 % der registrierten Rotmilane von illegaler Verfolgung betroffen. Weitere anthropogene Verlustursachen (u. a. Strangulation) machen zusammen nur wenige Prozent aus. Zu den natürlichen Verlustursachen gehören vor allem Prädation (5,6 % auf die flüggen Individuen bezogen) und innere Erkrankungen (2,6 %). In den Kategorien „Trauma unbekannter Ursache“ und „sonstige bzw. unklare Ursachen“ können sich weitere natürliche Ursachen verbergen, z. B. auch Opfer inner- oder zwischenartlicher Auseinandersetzungen.
Die Ergebnisse werden noch unveröffentlichten, aber bereits in Politik und Öffentlichkeit heftig diskutierten Tendenzen aus dem Telemetrieprojekt Life Eurokite gegenübergestellt. Abweichungen ergeben sich u. a. aus einem völlig anderen räumlichen Bezug und regional unterschiedlichen Verlustschwerpunkten. Methodische Unterschiede beeinflussen vor allem kryptische Verlustursachen wie illegale Verfolgung, Verluste an Bahnstrecken und natürliche Mortalität, die wohl durch die Telemetrie besser repräsentiert werden. Auch wenn dies den Anteil der Windkraftopfer etwas senken könnte, gibt deren große Zahl in unserer Studie bei hohem Anteil an Altvögeln Grund zur Sorge. Auch hohe Meidungsraten, die publiziert wurden, können nicht beruhigen, wenn die Grundgesamtheit der Durchflüge hoch ist. Davon ist bei 28.000 Windenergieanlagen in Deutschland auszugehen. Zum Schutz des Rotmilans ist es dringend erforderlich, hier kurzfristig zu ähnlichen Verbesserungen zu kommen wie bei den Themen Stromschlag und illegale Verfolgung.
Johanna Serfling, Johanna Trappe & Jakob Katzenberger:
Empfehlungen zur Erfassung von Rebhühnern Perdix perdix im Spätsommer/Herbst – ein Aufruf zur Mitarbeit
Stelzenläufer sind eine weltweit verbreitete Art, welche in Europa hauptsächlich an Flachwasserseen und in Sumpflandschaften im Süden vorkommt. In Deutschland kommt die Art schon immer als unregelmäßiger Gast in geringer Zahl vor. Die Entwicklung der Nachweise und Bruten sowie die Ökologie der Art in Deutschland werden in diesem Artikel ausgewertet und diskutiert. Kriterien zur besseren Einschätzung von Brutverdachten wurden herausgearbeitet. Dafür wurden alle verfügbaren historischen Nachweise sowie Daten der Meldeplattform ornitho.de verwendet.
Das Vorkommen von Stelzenläufern wurde beherrscht von Einflugjahren, wie sie 1964 und zwischen 1998 und 2000 stattfanden. Diese führten zu einigen Nachweisen und in der Folge zu Bruten. Abseits davon erfolgten nur einzelne Bruten pro Dekade. Ab 2012 stiegen die Nachweise und Bruten, mit bis zu 17 Brutpaaren im Jahr 2020, stark an. Insgesamt gelangen 99 Brutnachweise in Deutschland. Viele Bruten erfolgten in Norddeutschland im Küstenhinterland.
Die meisten Paare beginnen mit der Brut Ende Mai und brüten in Vogelschutzgebieten. Insgesamt konnte ein Schlupferfolg von 1,26 und ein Bruterfolg von 0,84 Jungen pro Paar ermittelt werden. Der Anstieg von Nachweisen und Bruten des Stelzenläufers in Deutschland steht im starken Zusammenhang mit ansteigenden Populationen in ganz Mitteleuropa und wird sich wahrscheinlich in den nächsten Jahren fortsetzen.
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