Die Vogelwelt Bd. 130 3/2009

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Schwerpunkte:
  • Brutvogelgemeinschaften eines Flusstals
  • Gartengrasmücken als „Rätselsänger”
  • Gartengrasmücke singt ähnlich Buschspötter
  • Reproduktion einer andersartig singenden Gartengrasmücke
  • Wachtelkönig in Nordost-Ungarn

Neumann, H. & B. Holsten:
Einfluss der Einführung einer großflächigen Extensivbeweidung auf die Brutvogelgemeinschaften eines Flusstals in Norddeutschland
In einem Abschnitt eines Flusstals im östlichen Hügelland Schleswig-Holsteins wurde untersucht, wie sich die schrittweise Einführung einer großflächigen, überwiegend ganzjährigen Extensivbeweidung auf die Brutvogelbesiedlung auswirkt. Als Referenzgebiet diente ein zweiter Abschnitt des Flusstals, der vergleichbare Standortverhältnisse aufweist. Beide Untersuchungsgebiete wurden zu Beginn der Untersuchungen großflächig von gehölzfreien Feuchtbrachen dominiert. Auf der Kontrollfläche blieben die Flächennutzungen innerhalb des fünfjährigen Untersuchungszeitraums unverändert. Die Gesamtvogelbestände sind in dem Untersuchungsgebiet, in dem die Extensivbeweidung eingeführt wurde, im Vergleich zur Entwicklung im Referenzgebiet zurückgegangen. Die Abnahme ist auf einen negativen Bestandstrend der Gilde der Brutvogelarten der Krautschicht zurückzuführen und betrifft v. a. die Gruppe der nicht gefährdeten Brutvogelarten. Die Bestandsrückgänge vollzogen sich insbesondere auf Bracheflächen, auf denen in Folge der Einführung einer Winterbeweidung zu Beginn der Brutzeit gleichmäßig kurz gefressene Vegetationsbestände vorherrschten.


Rheinwald, G., E. Hauth & M. Kuhn:
Gartengrasmücken Sylvia borin als „Rätselsänger“
Die Beobachtung einer abnorm singenden Gartengrasmücke 1985 im NSG Wahner Heide in Nordrhein-Westfalen war der Anlass, nach solchen „Rätselsängern“ zu suchen. Es wurden 36 derartige Sänger mit einer Häufung in der 1950er Jahren und nach 2000 gefunden. Die Verbreitung zeigt einen relativ schmalen Streifen durch West-Deutschland, Dänemark, Süd- Schweden und Südwest-Finnland. Nur wenige Vögel lagen etwas weiter westlich oder östlich. Von 31 der 36 Vögel wurden Tonaufnahmen gemacht, von denen wir von 24 Tieren Aufnahmen zusammentragen konnten. In einigen Fällen kamen die Vögel mehrere Jahre an den gleichen Platz und wurden auch mehrmals aufgenommen. Alle zur Verfügung gestellten Stimmen können auf der Website www.ginster-verlag.de abgehört werden. Bis jetzt gibt es keine Erklärung für den abnormen Gesang. Die hohe Variabilität lässt einen Lehrmeister einer fremden Art unmöglich erscheinen. Auch ein Defekt der Syrinx scheidet als Erklärung aus. Es besteht Übereinstimmung in der Aussage, dass dies Kaspar-Hauser-Gesänge sind; d.h. der Vogel singt einen improvisierten Gesang. Wieweit Taubheit dabei eine Rolle spielt, ist unklar. Weitere Untersuchungen sind notwendig.


Steiof, K.:
Gartengrasmücke Sylvia borin singt ähnlich Buschspötter Hippolais caligata
Vom 9.-13. Juni 2006 wurde bei München eine intensiv singende Gartengrasmücke festgestellt, deren Gesang dem des Buschspötters ähnelte. An allen Tagen wurde häufig der andersartige Gesang vernommen, nie aber eine für Gartengrasmücken typische Strophe. Die Stimme des Vogels konnte mittels Richtmikrofon und Kassettenrecorder aufgezeichnet werden. Die nach Digitalisierung erstellten Sonagramme bestätigen die Ähnlichkeit mit dem Buschspöttergesang, ggf. auch mit einer kleineren Grasmücke wie der Provencegrasmücke. Bei der Gartengrasmücke treten mehr als bei anderen heimischen Vogelarten derartige „Fehlsänger“ auf. Eine mögliche Erklärung hierfür ist eine „Gesangsmutation“ (hektisch-kratzend), wobei dann die Ähnlichkeit zum Buschspöttergesang eine reine Zufälligkeit wäre. Immerhin können einzelne der andersartig singenden Vögel auch verpaart sein, was darauf hinweist, dass sie als Gartengrasmücke erkannt werden können. Nachahmung („Spotten“) oder Taubheit als Ursachen für den andersartigen Gesang erscheinen eher als unwahrscheinlich.


Sonagramm einer Gartengrasmücke

Sonagramm einer Gartengrasmücke

Hoffmann, M.:
Erfolgreiche Reproduktion einer andersartig singenden Gartengrasmücke Sylvia borin
Nach zwei vergeblichen Versuchen im Jahr 2006 und 2007 ist einer abnorm singenden Gartengrasmücke im Jahr 2008 die Verpaarung und Jungenaufzucht gelungen. Während der drei Fortpflanzungsperioden blieb der andersartige Gesang konstant. Der für Gartengrasmücken charakteristische volltönende, orgelnde Vollgesang fehlte völlig. Mit einer Vielzahl ratternder kurzer und mit hoher Geschwindigkeit vorgetragenen Gesangselemente erinnerte er an den Gesang einer mediterranen Grasmücke, so dass am Tag der Entdeckung zunächst eine rastende Weißbartgrasmücke vermutet wurde. Die erstmals in der Fortpflanzungsperiode 2008 vorgetragenen Rufe entsprachen dem angeborenen arteigenen Rufinventar einer Gartengrasmücke. Umfassende Fragestellungen und Diskussionspunkte ergeben sich bei einem aberrant singenden Vogel aus der sozialen Funktion des Gesanges im Fortpflanzungsgeschehen. Die erfolgreiche Reproduktion eines „Rätselsängers“ zeigt aber auch, dass im Einzelfall das Gesangsvorbild des biologischen Vaters als Ursache der Gesangsfehldisposition in Betracht gezogen werden muss. Im Hinblick auf eine mögliche sensible Prägungsphase wurde der Gesangsverlauf während der Fortpflanzungsperiode näher untersucht und dokumentiert.


Verbreitung des Wachtelkönigs in Nordost-Ungarn

Verbreitung des Wachtelkönigs in Nordost-Ungarn

Boldogh, S., Z. Szegedi, P. Szentgyörgyi & Z. Petrovics:
Verbreitung, Bestand und Schutzstatus des Wachtelkönigs Crex crex in Nordost-Ungarn 1997–2006
Im Zeitraum 1997–2006 wurden Verbreitung und Bestand des Wachtelkönigs in Nord-Ungarn untersucht, um die beste Schutzstrategie für die Art festzulegen. Die untersuchte Region beherbergt eine wichtige Brutpopulation von bis zu 746 singenden Männchen pro Jahr – dies sind 50–55% des Ungarischen Bestandes auf nur 5 % der Fläche des Landes. Ähnlich wie bei anderen Populationen in Ungarn und Europa schwankt der Bestand beträchtlich. Zudem treten in verschiedenen Jahren erhebliche Unterschiede in der räumlichen Verteilung auf. So waren die in den Auen von Theiß und Boldrog gelegenen wichtigsten Brutgebiete des Untersuchungsraumes in 2005 und 2006 nach starken Niederschlägen und anhaltender Überflutung vollständig verwaist. Die wichtigsten Brutgebiete sind gesetzlich geschützt. Mehr als die Hälfte des Bestandes befindet sich in Schutzgebieten (Nationalpark, Naturschutzgebiete, Natura-2000-Gebiete). Die Hauptgefährdungsfaktoren sind mechanisierte und zu frühe Mahd sowie Sukzession. Der Schutz der wichtigsten Brutgebiete erfordert sowohl innerhalb als auch außerhalb von Schutzgebieten gezielte administrative Maßnahmen und aktives Habitatmanagement.

 

Weitere Inhalte:
  • Literaturbesprechungen
  • DDA-Aktuell 1/2010

 

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