Die Vogelwelt Bd. 128 1/2007

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Schwerpunkte:
  • Wie beeinflussen Buchenmast und Strenge des Winters die Populationsdynamik des Kleibers?
  • Raubmöwen in der westlichen Ostsee
  • Heimzug, verspätete Frühjahrs­ankunft, vorüber­gehender Partnerwechsel und Bruterfolg beim Schreiadler
  • Adoption von jungen Turmfalken durch ein Weibchen des Wanderfalken
  • Schirmfedern als wichtiges Alterskennzeichen der Bekassine

Zang, H. & P. Kunze 2007:
Wie beeinflussen Buchenmast und Strenge des Winters die Populationsdynamik des Kleibers Sitta europaea im Harz außerhalb der Brutzeit? Vogelwelt 128: 1–10.
Zur Klärung der Dynamik einer Kleiberpopulation außerhalb der Brutzeit wurden 1982–2004 in 14 Untersuchungsgebieten mit Nistkästen in Buchenbeständen des Harzes im November und im Februar in den Nistkästen schlafende Kleiber kontrolliert, insgesamt 1680 Vögel. Die Zahl der nächtigenden Vögel unterlag spürbaren Schwankungen, sie hat sich 1982–2004 im Mittel nicht verändert. Männchen und Weibchen sind etwa gleich häufig, ebenso Brutvögel der vorangegangenen Saison und Zuwanderer. Die Zusammenhänge sind sehr komplex. Die Zahl der im Herbst (November) nächtigenden Vögel stieg mit der Dichte zur Brutzeit und mit der Nachwuchsrate desselben Jahres. Die Zahl der Zuwanderer von Juli bis November, zumeist Jungvögel, zeigte keine Abhängigkeit von der Größe der Brutpopulation, von der Nachwuchsrate oder von der Stärke der Buchenmasten. Die Wintermortalität war abhängig von der Kälte des Winters, führte bei Männchen und Weibchen zu identischen Verlusten und traf Zuwanderer/Jungvögel stärker als alteingesessene Brutvögel, für die diese Abhängigkeit statistisch nur knapp gesichert werden konnte. In Jahren mit guter bis starker Buchenfruktifikation war die Wintermortalität geringer als in Jahren mit schwachen bis fehlenden Buchenmasten. Insbesondere überstanden die Zuwanderer/Jungvögel den Winter bei stärkerer Buchenmast besser als in anderen Jahren, während für die Brutpopulation ein vergleichbarer Einfluss nicht gesichert ist. Berücksichtigt man beide Faktoren, Temperaturabweichung des Winters vom langjährigen Mittel und Stärke der Buchenmast, in einem kombinierten „Temperatur-Fruktifikations-Wert“, so ergibt sich, dass beide Faktoren etwa gleichwertig zusammenwirken und die Überlebensrate und damit die Entwicklung der Population in von Buchen dominierten Waldgebieten steuern. Die Zahl der neuen Zuwanderer von November bis Februar hat 1982/83–2003/04 parallel zur Entwicklung der Nachwuchsrate zugenommen, eine Abhängigkeit von der Dichte im Herbst sowie von der Stärke der Buchenmasten war nicht nachzuweisen.


Kube, J., J. Bellebaum, R. Klein, B. Schirmeister & H. Wendeln:
Vorkommen und Phänologie von Raubmöwen (Stercorariidae) in der westlichen Ostsee. Vogelwelt 128: 11–20
Basierend auf Zugplanbeobachtungen in den Jahren 2001 bis 2004 an der schwedischen Südküste (Falsterbo), der Küste Mecklenburg-Vorpommerns (Usedom/Strelasund/Darßer Ort) und in der Arkonasee wird der Durchzug von Raubmöwen Stercorarius spec. in der westlichen Ostsee beschrieben und eine Schätzung der Häufigkeit pro Jahr versucht. Angaben aus faunistischen Jahresberichten aus Südschweden (Skåne), Mecklenburg-Vorpommern und von der dänischen Insel Christiansø (Dänemark) wurden ebenfalls berücksichtigt. Schmarotzerraubmöwen S. parasiticus sind regelmäßige Durchzügler. Alljährlich ziehen im Herbst bis zu 500 Individuen durch. Das Zuggeschehen dieser Art konzentriert sich entlang der Küsten. Spatelraubmöwen S. pomarinus sind seltene Durchzügler. Alljährlich ziehen im Herbst bis zu 50 Individuen durch. Die Zugraten entlang der Küsten und auf der hohen See sind bei dieser Art gleich. Falkenraubmöwen S. longicaudus und Skuas S. skua ziehen anscheinend nicht durch die westliche Ostsee. Beide Arten gelangen während der Zugzeiten wahrscheinlich als Nahrungsgäste aus dem Kattegat in sehr geringer Zahl in dieses Seegebiet.


Meyburg, B.-U., C. Meyburg , J. Matthes, & H. Matthes:
Heimzug, verspätete Frühjahrsankunft, vorübergehender Partnerwechsel und Bruterfolg beim Schreiadler Aquila pomarina
Erstmalig wurde bei einem Schreiadler mit Hilfe der Satellitentelemetrie der Frühjahrszug vom Überwinterungsgebiet bis zum Brutplatz einschließlich aller Übernachtungsplätze detailliert dokumentiert. Ein besendertes Weibchen verließ am 21. Februar 1998 sein Winterquartier im Krüger-Nationalpark in Südafrika und traf nach 64 Tagen am 25. April stark verspätet am Brutplatz in Mecklenburg-Vorpommern ein. An 51 Tagen zog es im Durchschnitt 211 km (18–406 km/Tag). Dazwischen legte es insgesamt 13 Rasttage ein. Die Ankunft des Weibchens am Brutplatz wurde direkt beobachtet. Dabei wurde zum ersten Mal bei einem Schreiadlerpaar ein vorübergehender Partnerwechsel nachgewiesen. Das vorjährige, besenderte Weibchen vertrieb sofort ein neues Weibchen, welches bereits mit dem letztjährigen Männchen verpaart war. Die rechtzeitige Ankunft am Brutplatz entscheidet mit darüber, ob ein Altvogel zur Brut schreitet. In den letzten Jahren wurde wiederholt in verschiedenen Ländern festgestellt, dass ein großer Teil der Altvögel so stark verspätet eintraf, dass es zu keiner Eiablage mehr kam. Wir vermuten, dass in vielen Fällen, wie auch bei den telemetrierten Individuen, bereits der Abzug aus den Überwinterungsgebieten zu spät erfolgte, und nicht etwa ungünstige Witterungsverhältnisse auf dem Frühjahrszug verantwortlich waren. Eine mögliche Erklärung ist die seit 1970 stark zurückgegangene Niederschlagsmenge im Überwinterungsgebiet im südlichen Afrika als Folge des El Niño-Klimaphänomens, die wiederum zu einer geringeren Beutetierdichte des Schreiadlers führen dürfte. Dadurch sind die Vögel vermutlich gezwungen, sich länger im Winterquartier aufzuhalten, um die notwendigen Energiereserven für den Zug zu sammeln. Diese Frage sollte wegen ihrer Bedeutung für den Bruterfolg und damit die Populationsentwicklung unbedingt weiter untersucht werden.


Wanderfalkenweibchen auf dem Anflugbrett, im Nistkasten sind drei Turmfalkennestlinge zu sehen (Alter ca. 12–16 Tage).

Wanderfalkenweibchen auf dem Anflugbrett, im Nistkasten sind drei Turmfalkennestlinge zu sehen (Alter ca. 12–16 Tage).

Kupko, S. & S. Kübler:
Adoption von jungen Turmfalken Falco tinnunculus durch ein Weibchen des Wanderfalken F. peregrinus in Berlin
Im Jahr 2006 wurde eine Turmfalkenbrut von einem Wanderfalkenweibchen übernommen. Dieses nistete im selben Turm wie die Turmfalken (Abstand höchstens 15 m) und hatte selbst ein Junges. Dieses verließ sie und wechselte in den Turmfalken-Nistkasten, in dem fünf Turmfalkennestlinge waren. Die Turmfalkeneltern waren daraufhin nicht mehr zu sehen, wurden also wohl von dem stärkeren Wanderfalken vertrieben bzw. trauten sich nicht mehr an ihren Nistkasten heran. Das Wanderfalkenmännchen kümmerte sich in der Folgezeit um sein Junges, das Wanderfalkenweibchen um die fünf Turmfalkenjungen. Das Wanderfalkenjunge flog erfolgreich aus, aber nur drei der adoptierten Turmfalkennestlinge wurden flügge. Ein junger Turmfalke wurde leider nach einigen Wochen ohne Kopf am Brutplatz aufgefunden.


Schmitz, M.:
Die Schirmfedern als wichtiges Alterskennzeichen der Bekassine Gallinago gallinago – Beschreibung zusätzlicher Merkmale
Die Altersbestimmung der Bekassine wird bisher fast nur in der Hand unter Kombination von Gefiedermerkmalen und Maßen vorgenommen. Die Bedeutung der Schirmfedern als Alterskennzeichen wurde bislang unterschätzt. Ergänzend zu bekannten Unterschieden bei der Saumzeichnung werden weitere Merkmale beschrieben, welche eine verlässliche Altersbestimmung z. B. bei der Beringung und eine Altersansprache unter feldornithologischen Bedingungen erlauben: Bei den Jugendkleidfedern ist die helle Bänderung der Außenfahnen sehr schmal und rötlich-braun, die dunkle hingegen breit und kräftig dunkelbraun. Die helle Bänderung der Altvögel kann fast so breit wie die dunkle sein und ist grau-beige bis bräunlich, rotbraune Farbtöne fehlen in der Regel. Altvögel zeigen einen anderen Mauserrhythmus als Jungvögel. Sie wechseln die Schirmfedern deutlich früher, was als zusätzlicher Hinweis auf das Alter dienen kann. Alle Merkmale unterliegen einer gewissen Variabilität.

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