Unser aktuelles Heft:

Die Vogelwelt Jahrgang 141 Heft 1

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Basstölpel benutzen zum Nestbau vor allem Tang, polstern das Nest aber auch mit Gras aus. Foto: J. Dierschke

Jochen Dierschke, Volker Dierschke & Moritz Mercker:
Brutbestandsentwicklung von See- und Küstenvögeln auf Helgoland

Für die 50 km vor der deutschen Küste gelegene Nordseeinsel Helgoland wird eine aktuelle Übersicht über die Brutbestände von See- und Küstenvögeln vorgelegt. In den vergangenen 15-20 Jahren haben dramatische Veränderungen stattgefunden, die sowohl starke Zunahmen (Eiderente, Heringsmöwe, Trottellumme, Tordalk, Basstölpel) als auch starke Abnahmen (Austernfischer, Sandregenpfeifer, Dreizehenmöwe, Silbermöwe, Eissturmvogel) umfassten. Deutliche Veränderungen wurden auch bei der Verteilung der Brutpaare auf Hauptinsel und Düne und bei den Klippenbrütern innerhalb der verschiedenen Abschnitte der Steilküste beobachtet. Die Gründe für die Bestandsveränderungen sind teilweise direkt auf der Insel bzw. in ihrem als Nahrungsgebiet genutzten Umfeld zu suchen. Dazu gehören die Sukzession ehemals nahezu vegetationsloser Bereiche, Inanspruchnahme der Strände durch den Badetoursimus und die Ansiedlung von Prädatoren (Rabenkrähe, Elster). Niedrige Bruterfolge könnten bei Dreizehenmöwe und Eissturmvogel als Hinweise auf Probleme beim Nahrungsangebot gedeutet werden; ein direkter Bezug von Bestandsveränderungen zur Ernährungssituation oder auch zur Verbauung von Nahrungsgebieten durch Offshore-Windparks kann jedoch derzeit nicht hergestellt werden. Die räumliche Kapazität für Nistplätze der Felsbrüter ist offenbar noch nicht ausgeschöpft. Überlagert werden die unterschiedlichen lokalen Effekte von überregionalen Bestandsveränderungen, die sich möglicherweise in Form von geringerer Rekrutierung und weniger Umsiedlungen von Altvögeln aus anderen Brutgebieten auswirken. Hinzu kommen bei einigen Arten Arealveränderungen, die wiederum im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen mögen. In Betracht zu ziehen sind auch die Lebensbedingungen der behandelten See- und Küstenvogelarten außerhalb der Brutzeit. Fast alle auf Helgoland brütenden See- und Küstenvögel sind national und/oder international als gefährdet eingestuft. Ein Schutz der Brutplätze auf der Insel kann daher zum Schutz dieser Arten beitragen. Im Zuge der Industrialisierung der deutschen Nordsee ist aber auch darauf zu achten, dass Nahrungsgebiete auf dem Meer erhalten bleiben.


In der Brutzeit mied das Rebhuhn Hecken ohne vorgelagerten, mehrere Meter breiten Krautsaum, hier bei Falkenberg. Foto: R. Möckel

Reinhard Möckel:
Vergleichende Untersuchung zur Bestandsentwicklung von Rebhuhn Perdix perdix und Wachtel Coturnix coturnix im südlichen Brandenburg

Nach einem historischen Rückblick wird für ein 2.541 km2 großes Untersuchungsgebiet im südlichen Brandenburg die Bestandsentwicklung von Rebhuhn und Wachtel über 40 Jahre (1981-2020) dargestellt. Gegenüber früher hatte das Rebhuhn schon vor Beginn der Bearbeitung stark abgenommen. Im ersten Jahrzehnt des Untersuchungszeitraumes (1981-1990) war es dennoch flächendeckend verbreitet. Danach begünstigte die Stilllegung von bis zu 17 % der Ackerfläche das Rebhuhn. Bis zum Wegfall der von der Europäischen Union verordneten Flächenstilllegung im Herbst 2007 war der Bestand in der Kulturlandschaft weitgehend stabil. Im zweiten und dritten Jahrzehnt der Bearbeitung (1991-2010) boten zudem Folgelandschaften des Braunkohlebergbaus (BFL) zeitweise günstige Habitate. Parallel zur weiteren Intensivierung der Landwirtschaft setzte ein schneller Rückgang ein. Bald nach dem Ende der Stilllegungsperiode hatte das Rebhuhn die Kulturlandschaft geräumt. Das letzte Vorkommen erlosch im Jahr 2015. In den 2010er Jahren wurde die Art auch in den BFL seltener. Im Jahr 2020 gab es im Untersuchungsgebiet nur noch ein Vorkommen. Im Gegensatz zum Rebhuhn war die Wachtel früher im südlichen Brandenburg ein seltener, unsteter Brutvogel. Dies war noch im ersten Jahrzehnt dieser Bearbeitung (1981-1990) der Fall. Mitte der 1990er Jahre wuchs die Zahl der Nachweise sprunghaft an. Aktuell ist die Art etwa zehnmal häufiger als in den 1980er Jahren. In der Kulturlandschaft ist die Wachtel vor allem ein Bewohner der Getreideäcker. In den BFL bevorzugt sie Luzernefelder. Eine unmittelbare Verbindung des Bestandsanstiegs mit den Flächenstilllegungen (1991-2007) gibt es nicht. Die Zunahme ab Mitte der 1990er Jahre könnte durch die Klimaerwärmung mitverursacht sein. Die Reproduktion reicht gegenwärtig offenbar aus, die Verluste infolge intensiver Nachstellung auf dem Zug und im Winterquartier auszugleichen. Das Rebhuhn ist im Gegensatz zur Wachtel auf brach liegende Restflächen in der Agrarlandschaft angewiesen. Großflächige Äcker meidet es komplett. In Verbindung mit der längeren Ortsgebundenheit während der Brut (Rebhuhn 46 Tage, Wachtel nur 28 Tage) war der Bruterfolg im letzten Jahrzehnt (2011-2020) offenbar zu gering. Dieser Engpass in der Brutzeit – verstärkt durch den immer höheren Einsatz von Herbiziden und Insektiziden – erwies sich als größtes Problem. Die Verluste im Winter fielen vergleichsweise gering aus. Das Rebhuhn ist heute im südlichen Brandenburg vom Aussterben bedroht. Nur das Bereitstellen selbstbegrünter Ackerbrachen und Blühstreifen auf 10 % des Ackerlandes könnte diese Entwicklung umkehren. In den großflächigen BFL sollten in ausgewählten Bereichen Konzepte zur Wiederherstellung halboffener Bereiche umgesetzt werden.


Simpson-Index für die Kleinsäuger-Diversität berechnet ohne die Feldmaus Microtus arvalis

Nadja J. Kath, Wernfried Jaschke, Torsten Langgemach, Detlef Groth & Jana Anja Eccard:
Nahrungsökologische Untersuchungen an der Schleiereule Tyto alba im Havelländischen Luch als Gradmesser zunehmender Kleinsäuger-Diversität

Wir untersuchten den Einfluss von Schutzmaßnahmen für die Flaggschiffart Großtrappe Otis tarda auf die Biodiversität der Kleinsäuger im selben Lebensraum. Wir analysierten Langzeitdaten der Beutetierarten-Zusammensetzung in Gewöllen der Schleiereule Tyto alba, die im Naturschutzgebiet und EU-Vogelschutzgebiet „Havelländisches Luch“ in Brandenburg gesammelt wurden, um den Einfluss der Schutzmaßnahmen im Gebiet zugunsten der Großtrappe abzuschätzen. Die Diversität der Kleinsäuger in dem Gebiet hat innerhalb von 30 Jahren trotz eines allgemein gegenläufigen Trends in den Agrarlandschaften zugenommen. Diese Zunahme dürfte zumindest anteilig auf langfristige Schutzmaßnahmen zugunsten der Flaggschiffart zurückzuführen sein. Dazu gehören z. B. extensive Grünlandbewirtschaftung mit Verbleib von ungemähten Streifen bei jeder Mahd, die Anlage von Ackerbrachen, die Verkleinerung von Ackerflächen durch Brachstreifen („Trappenstreifen“), damit zusammenhängende Zunahme von Grenzlinien und die Vergrößerung der ökologisch bewirtschafteten Fläche und nicht zuletzt der enorme Rückgang des Einsatzes von Agrarchemikalien. Solche Maßnahmen können offenbar die Kleinsäuger-Biodiversität in einer produktiven, mitteleuropäischen Agrarlandschaft erhöhen, die ansonsten mit einem Biodiversitätsverlust konfrontiert wäre. Daher schlagen wir vor, die Großtrappe in Mitteleuropa nicht nur als Flaggschiffart zu betrachten, sondern zusätzlich als „Schirmart“, weil Trappenschutzmaßnahmen einen allgemeinen Anstieg der Biodiversität ermöglichen.


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