Unser aktuelles Heft:

Die Vogelwelt Jahrgang 141 Heft 4

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Sandra Neißkenwirth genannt Schroeder, Patrick Hundorf, Hubertus Illner, Heiko Schmaljohann & Ralf Joest:
Bestandszunahme, Revierverhalten und Habitatwahl der Grauammer Emberiza calandra im Europäischen Vogelschutzgebiet Hellwegbörde

Typisches Grauammerrevier in der Hellwegbörde. Einsaatbrache im Dichtezentrum bei Westereiden. Foto: R. Joest

Der Bestand der Grauammer in der westfälischen Hellwegbörde hat im Zeitraum von 1993 bis 2022 zunächst von maximal 169 Revieren im Jahr 1994 auf keine Nachweise in den Jahren 2014 und 2015 abgenommen. Seitdem stieg er wieder auf bisher 27 Reviere im Jahr 2022 an. Die beiden Teilgebiete Lohne und Westereiden bilden seit 1993 die beiden Schwerpunktvorkommen der Art. Im Jahr 2021 wurden hier bei intensivierter Erfassung 33 Reviere festgestellt, von denen die meisten Anfang Juni durch Sänger besetzt waren. Die größte Gesangsaktivität und Brutnachweise wurden erst in der zweiten Saisonhälfte von Juni bis Juli festgestellt, nach dem für diese Art empfohlenen Zeitfenster für die Brutvogelkartierung. Bei der Habitatwahl wurden vor allem Selbstbegrünungsbrachen bevorzugt, in schwächerer Ausprägung auch Einsaatbrachen, Feldgras und Wege ohne und mit Gehölz, während Wintergetreide, Gehölze, Hackfrüchte, Körnerleguminosen und Bebauung gemieden wurden. Im Zeitverlauf änderte sich die Habitatwahl von einer Bevorzugung von Feldgras und Grünland (in geringerem Maße Raps) zu einer von Einsaatbrache und bedingt von Getreide. Es wurden verschiedene Singwarten genutzt, wobei diese mit im Median 406 m signifikant weiter von geschlossenen Gehölzen entfernt waren als eine zufällige Verteilung. Die Untersuchungen zeigen eine differenzierte Nutzung der verschiedenen Flächentypen durch die Grauammer und ermöglichen angepasste Empfehlungen für den Arten- und Naturschutz.


Abgebrochener Versuch der Adriaüberquerung von 52033.

Bernd-Ulrich Meyburg & Fridtjof Ziesemer:
Wo und wann tritt Mortalität bei in Deutschland brütenden adulten Wespenbussarden Pernis apivorus im Verlauf des Jahreszyklus auf – Ergebnisse der Satellitentelemetrie

Zugvögel sind in den verschiedenen Phasen ihres Jahreszyklus zahlreichen Bedrohungen ausgesetzt. Informationen darüber, wo und wann die Verluste auftreten und was deren Ursachen sein könnten, sind von großem Wert für die Planung von Schutzmaßnahmen zur Verringerung der Bedrohungen. Die vorhandenen Informationen sind lückenhaft, da Todesfälle bei der Überquerung von Meeren und Wüsten auftreten, wo Wiederfunde von beringten Vögeln praktisch unmöglich sind. Zwölf adulte Wespenbussarde – sieben Männchen und fünf Weibchen, die in Norddeutschland brüteten, wurden mit Hilfe der Satellitentelemetrie untersucht. Es wurden zwanzig vollständige Herbst- und sieben vollständige Frühjahrszugrouten sowie einige unvollständige Routen dokumentiert. Zehn Vögel verschwanden und starben wahrscheinlich während der Überwachung. Drei Vögel kamen während des Herbst- und zwei während des Frühjahrszuges zu Tode, vier während der Überwinterung und einer im Brutgebiet. Wir geben an, wo und wann die Vögel verschwunden sind und diskutieren die möglichen und wahrscheinlichen Ursachen. Drei der Vögel wurden nach 2–3 Jahren im Brutgebiet in gutem Zustand wieder gefangen. Sie hatten offensichtlich nicht versucht, die Sender zu entfernen.


Trauerseeschwalbe füttert Küken mit kleinem Fischchen am Parsteinsee. Foto: Fred Pechardscheck

Jochen Bellebaum:
Unterschiedliche Nahrungsversorgung junger Trauerseeschwalben Chlidonias niger in naturnahen Lebensräumen

Die Nahrungsversorgung von Jungvögeln der Trauerseeschwalbe wurde in zwei traditionellen Brutgebieten in Nordostbrandenburg untersucht: 2007–2015 im Unteren Odertal und 2007 am Parsteinsee. Dazu wurden die Anzahl von Fütterungen und die verfütterte Beute durch Sichtbeobachtungen an Nestern mit unterschiedlich alten Jungen erfasst. Die Beuteobjekte wurden bestimmt und die Größe von Fischen und Kaulquappen im Verhältnis zur Schnabellänge des Altvogels ermittelt. Im Unteren Odertal machten Wirbeltiere 58 % der verfütterten Biomasse aus, am Parsteinsee dominierten dagegen Großlibellen mit 56 %. Die verfütterte Biomasse nahm mit dem Alter der Küken zu und war am Parsteinsee höher als im Unteren Odertal, wo zudem 2014 und 2015 weniger Biomasse verfüttert wurde als 2008. Die Nahrungsversorgung begrenzt vermutlich wenigstens in einigen Jahren den Bruterfolg im Unteren Odertal, während am Parsteinsee die Verfütterung vieler Großlibellen einen deutlich höheren Bruterfolg ermöglicht. Das bestätigt die wichtige Rolle von Großinsekten in naturnahen Lebensräumen für die Kükenaufzucht der Trauerseeschwalbe.


Jochen Bellebaum & Dieter Krummholz:
Bestand und Bruterfolg der Trauerseeschwalbe Chlidonias niger im Unteren Odertal

Brütende Trauerseeschwalbe auf Nisthilfe im Unteren Odertal (Ratssee). Foto: J. Bellebaum

Im Unteren Odertal brüten Trauerseeschwalben seit 1972 auf Altarmen, Nasswiesen und seit 1986 auf Nisthilfen. Der Einfluss von Nistflößen und Wasserstand auf die langfristige Bestandsentwicklung und auf den Bruterfolg wurde 2007–2015 untersucht. In Jahren mit Nisthilfen brüteten unabhängig vom Wasserstand mehr als 10 % des deutschen Brutbestandes im Untersuchungsgebiet. Ohne Nisthilfen brüteten weniger Paare, und ihre Zahl war signifikant vom Wasserstand abhängig. Der Schlupferfolg war auf Nisthilfen und überflutetem Grünland sowie für früh begonnene Bruten signifikant höher. Der Aufzuchterfolg geschlüpfter Küken unterschied sich deutlich von Jahr zu Jahr und war auf Nisthilfen geringfügig geringer. Insgesamt war der Bruterfolg auf Nisthilfen 1,8-mal so hoch wie auf Rhizomen. Sehr hohe Erfolge traten in zwei Jahren in überfluteten Wiesen auf. Wie in anderen Brutgebieten konnten Nisthilfen die Brutbestände im Unteren Odertal auch bei niedrigen Wasserständen stabilisieren und den Schlupferfolg steigern, besonders in Jahren ohne ausgedehnte Rhizominseln. Verluste von Küken durch Nahrungsmangel, Prädation oder Witterung können jedoch den Bruterfolg unabhängig von der Nestunterlage begrenzen. Trotz Nisthilfen reichte der Bruterfolg im Mittel wahrscheinlich nicht zum Bestandserhalt aus. Das Untere Odertal hat trotzdem eine hohe Bedeutung als Trittstein im großräumigen Verbund von Brutplätzen entlang der Oder und in der Uckermark.

Die Verwendung von codierten Farbringen erhöht die Wiederfund-Wahrscheinlichkeit und verbessert damit die Abschätzung der Überlebensrate. Insgesamt ist es sinnvoller, mehr Zeit und Ressourcen in das Wiederauffinden und Identifizieren markierter Trauerseeschwalben zu investieren, als in die Beringung möglichst vieler Individuen. Foto: A. Vossmeyer

Jan van der Winden, Peter van Horssen, Manfred Kuhnert, Achim Vossmeyer & Nataly Atamas:
Schätzungen von Überlebensraten adulter Trauerseeschwalben Chlidonias niger in den Niederlanden, Deutschland und der Ukraine

Die Population der Trauerseeschwalbe ging in den letzten Jahrzehnten in Westeuropa deutlich zurück, während sie in Mittel- und Osteuropa stabil blieb. Dieser Rückgang ist in Westeuropa einem Mangel an geeigneten Bruthabitaten geschuldet, während Richtung Osten natürliche Nistplätze immer noch reichlich vorhanden sind. Dennoch ist es möglich, dass die unterschiedlichen Entwicklungstrends in West- und Mitteleuropa auch durch Unterschiede in der Überlebensrate adulter Trauerseeschwalben beeinflusst werden. Für eine Einschätzung der Überlebensrate adulter Trauerseeschwalben sind Markierungs-Wiederfund-Methoden eine notwendige Voraussetzung. Seit 1999 begannen an fünf verschiedenen Standorten in Europa (Farb-)Beringungsprojekte, die jeweils mindestens über einen Zeitraum von fünf Jahren durchgeführt wurden. Von den fünf Standorten liegen zwei in den Niederlanden, zwei in Deutschland und einer in der Ukraine. Dies ermöglicht es, mit Hilfe der sogenannten Cormack-Seber-Modelle die „augenscheinliche Überlebensrate“ (apparent survival) für alle fünf Standorte sowie die reale Überlebensrate von zwei Untersuchungsorten zu berechnen. Die augenscheinliche Überlebensrate umfasst eine Spanne von 0,63 bis 0,93 und hat für die Standorte in Ostdeutschland und der Ukraine nur eine eingeschränkte Verlässlichkeit. Deshalb ist es nicht möglich, wirkliche Unterschiede in der Überlebensrate zwischen den Standorten nachzuweisen. Verschiedene Wiederfund-Wahrscheinlichkeiten begründen diese hohe Unsicherheit in den Daten. Demgemäß resultieren aus den Standorten mit den höchsten Wiederfundraten, die in den Niederlanden und in Westdeutschland liegen, vergleichbare Überlebensraten der adulten Trauerseeschwalben von 0,74 (NL) und 0,71 (D). An einem Standort in den Niederlanden und einem in der Ukraine zeigte die Dispersion der adulten Tiere, die in benachbarten Kolonien brüteten, kaum einen Unterschied und lag bei einem Anteil von 25 % bzw. 26 %. Mithilfe eines Multi-state-Modells, das diese räumliche Verteilungsrate berücksichtigt, konnte so für die niederländische Kolonie eine reale Überlebensrate von 0,77 ermittelt werden. Die Bedeutung der Ergebnisse für die Reproduktionsraten in Europa wird diskutiert. Vor allem scheint es ratsam, die Wiederfund-Projekte in Mitteleuropa fortzusetzen, um die Unsicherheit in den Datensätzen zu verringern.

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