Die Vogelwelt Bd. 128 3/2007

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Schwerpunkte:
  • Der Ortolan im Wendland – Bestandszunahme durch Grünlandumbruch und Melioration?
  • Farbberingung von Seeadlern in Schleswig-Holstein
  • Wintervorkommen von Krähen­vogelarten in Mecklenburg-Vorpommern
  • Satellitentelemetrie der Zugwege junger Heringsmöwen
  • Jahreszeitliches Auftreten und Bestandsentwicklung der Turteltaube an der Deutschen Bucht

Ein typischer Ortolanlebensraum. Höhere Büsche und Bäume, die unmittelbar an Äcker (vorne Hafer, dahinter Winterroggen) angrenzen, dienen dem Männchen vornehmlich als Gesangsstandort. Foto: M.Deutsch

Ein typischer Ortolanlebensraum. Höhere Büsche und Bäume, die unmittelbar an Äcker (vorne Hafer, dahinter Winterroggen) angrenzen, dienen dem Männchen vornehmlich als Gesangsstandort. Foto: M.Deutsch

Deutsch, M.:
Der Ortolan Emberiza hortulana im Wendland (Niedersachsen) – Bestandszunahme durch Grünlandumbruch und Melioration?
Das Wendland (Landkreis Lüchow-Dannenberg, Niedersachsen) ist mit bis zu 1.000 singenden Männchen einer der westlichen Verbreitungsschwerpunkte des Ortolans in Deutschland. Es ist vermutlich die einzige Population in Deutschland, für die ein Bestandsanstieg festgestellt wurde. Dieser wurde bisher mit einer höheren Erfassungseffizienz erklärt. Tatsächlich ist diese Erklärung nur unzureichend, denn auf einer Probefläche von 75 km2 hängt die Zunahme stark mit einer großflächigen Nutzungsänderung zusammen. Nach Umbruch von vormaligem Grünland hat dort der Anteil von Ackerflächen innerhalb von 15 Jahren von 43 auf 80 % zugenommen. Nach Zahlen der Landwirtschaftskammer muss diese Veränderung für große Teile des Landkreises gelten, was wiederum den insgesamt starken Bestandsanstieg des Ortolans erklären würde. Die Verteilung der Ortolan­reviere in Abhängigkeit zum mittleren Grundwasserhochstand vor und nach der Umwandlung lässt vermuten, dass die Art auch von einem Absenken des Wasserspiegels profitiert hat. Die Abnahme typischer Wiesenvögel im Landkreis Lüchow-Dannenberg wie etwa des Braunkehlchens dürfen als unterstützendes Indiz gewertet werden. Mögliche Gefährdungsursachen für das Wendland werden diskutiert. Neben der allgemeinen Intensivierung auf landwirtschaftlichen Flächen ist hier insbesondere die zu erwartende Verminderung der Anbauvielfalt durch Konzentration auf ertragreiche Produkte zu nennen (z. B. weniger Roggen, mehr Triticale etc.). Die Flächenzunahme von nachwachsenden Rohstoffen (Mais, Grünroggen) ist Grund zur Besorgnis, da diese Anbauflächen nicht den Habitatansprüchen des Ortolans entsprechen. Eine Bestandsabnahme des Ortolans ist deshalb zu erwarten.


Bei steigender Siedlungsdichte der Seeadler in Schleswig-Holstein nehmen die beobachteten Revierstreitigkeiten zu: adulter Seeadler (links) im Kampf mit einem immaturen Vogel. Foto: C. Wille

Bei steigender Siedlungsdichte der Seeadler in Schleswig-Holstein nehmen die beobachteten Revierstreitigkeiten zu: adulter Seeadler (links) im Kampf mit einem immaturen Vogel. Foto: C. Wille

Struwe-Juhl, B. & T. Grünkorn:
Ergebnisse der Farbberingung von Seeadlern Haliaeetus albicilla in Schleswig-Holstein mit Angaben zu Ortstreue, Umsiedlung, Dispersion, Geschlechtssreife, Altersstruktur und Geschwisterverpaarung
Im Rahmen des internationalen Farbmarkierungsprogramms wurden zwischen 1977 und 2006 insgesamt 378 junge Seeadler in Schleswig-Holstein beringt. Von diesen konnten bis zum 31. Dez. 2006 mindestens 139 Vögel durch Ablesung (92) oder Totfund (47) nachgewiesen werden. Die Wiederfundrate betrug 37 %, die Totfundrate 12 %. Unter den in Schleswig-Holstein abgelesenen Seeadlern waren zu 62 % immature Vögel (K1 bis K4), die in den Monaten Oktober bis Januar vor allem an abgelassenen Fischteichen beobachtet wurden. Die Identifizierung der Altvögel fand vorrangig von Februar bis Juni in den Brutgebieten statt. Die Dispersion der jungen Seeadler erfolgte in alle Richtungen. Im K1 bis K3 streiften die Jungen zumeist einzeln und weiträumig umher. Sie wurden dabei sporadisch in der Umgebung ihres Geburtsortes festgestellt. Im K4 und K5 versuchten sie ein Brutterritorium in der Nähe ihrer Geburtsregion zu besetzen. Da dies bei steigender Siedlungsdichte zunehmend schwieriger wurde, siedelten sich die jungen Vögel auch in benachbarten Ländern wie Dänemark, den Niederlanden und Polen an, wobei Entfernungen von maximal 450 km zurückgelegt wurden. Aufgrund des erheblichen Populationswachstums in den letzten Jahren zeigt dieser junge Seeadlerbestand somit eine vitale Ausbreitungsdynamik. Von 29 bekannten Ansiedlungsorten lagen 59 % in einer Entfernung von bis zu 100 km zum Geburtsort. Der Median der Ansiedlungsentfernung für alle 29 Vögel betrug 89 km…


Vökler, F.:
Zum Wintervorkommen von Krähenvogelarten in Mecklenburg-Vorpommern – Ergebnisse einer landesweiten Schlafplatzerfassung im Winter 2004/05
Im Winter 2004/05 wurden die Winterbestände von Saat- und Nebelkrähen sowie Dohlen in Mecklenburg-Vorpommern an Schlafplätzen erfasst. An 52 Schlafplätzen wurden insgesamt etwa 75.000 Saatkrähen, 12.000 Dohlen und 7.000 Nebelkrähen festgestellt. Viele kleinere Schlafplätze von Nebel- und Rabenkrähen sind sicher übersehen worden, wobei diese wohl überwiegend den heimischen Brutbestand umfassen. Die Ergebnisse lassen im Vergleich mit Daten aus den 1980er Jahren den Rückschluss zu, dass die Anzahl der in Mecklenburg-Vorpommern überwinternden Saatkrähen um mindestens die Hälfte zurück gegangen ist. Ein noch stärkerer Rückgang dürfte bei der Dohle stattgefunden haben, während von der Nebelkrähe keine entsprechenden Vergleichsdaten vorliegen. Als Gründe für die abnehmenden Winterbestände von Saatkrähe und Dohle kommen der Rückgang der regionalen Brutpopulation in Frage, aber auch abnehmende Brutbestände in Osteuropa sowie besonders die geringere Wanderungsneigung der dortigen Vögel. Wegen der während eines Winters erfolgenden Wechsel zwischen den Schlafplätzen werden besser synchronisierte Zählungen angeregt, um die weitere Bestandsentwicklung genauer verfolgen zu können.


K. Pütz, K., C. Rahbek, P. Saurola, K. T. Pedersen, R. Juvaste & A. J. Helbig:
Satellitentelemetrie der Zugwege junger, aus den Brutgebieten verschiedener Unterarten aufbrechender Heringsmöwen Larus fuscus
Zur Untersuchung des Zugverhaltens wurden erstjährige Heringsmöwen Larus fuscus der Unterarten fuscus und intermedius mit Satellitensendern ausgerüstet und entweder in ihrem eigenen Brutgebiet oder nach Transport in das Brutgebiet der anderen Unterart aufgelassen. Zusätzlich wurde das Zugverhalten von erstjährigen Heringsmöwen aus Kreuzungsexperimenten (fuscus x intermedius) untersucht. Bei insgesamt 11 Vögeln, mindestens einem aus jeder Versuchgsruppe, konnte der Beginn des Herbstzuges verfolgt werden. Erstjährige Heringsmöwen der intermedius-Unterart aus Dänemark zogen entweder südwestlich entlang der Nordseeküste oder durch Zentral-Europa nach Algerien. Im Gegensatz dazu zogen die finnischen Heringsmöwen der fuscus-Unterart mit süd-südöstlichem Kurs in die Ukraine und an den Bosporus, Türkei. Nur bei einer der in dem Brutgebiet der anderen Unterart aufgelassenen Heringsmöwen konnten eindeutige Hinweise auf das Zugverhalten gewonnen werden: Dieser Vogel der intermedius-Unterart zog von Finnland mit süd-südöstlichem Kurs in die Ukraine, wo der Sender verstummte. Das Zugverhalten dieser Möwe entsprach daher dem der fuscus-Unterart. Eine Heringsmöwe aus den Kreuzungsexperimenten überwinterte in Libyen, wobei während des Zuges in das Winterquartier keine Sendersignale erhalten wurden.


Busche, G. & V. Dierschke:
Jahreszeitliches Auftreten und Bestandsentwicklung der Turteltaube Streptopelia turtur an der Deutschen Bucht
Das Zugmuster der Turteltaube an der Deutschen Bucht (Helgoland und Westküste Schleswig-Holsteins), wo die Art nicht brütet, zeigt starke saisonale Unterschiede (Abb. 1). Das Verhältnis der Individuensummen von Heimzug zu Wegzug beträgt für Helgoland 2149 : 96 (d.h. in Prozent 96 : 4) und für die Westküste (Marschen, Inseln, Halligen) 194 : 61 (in Prozent 76 : 24). Auf dem Heimzug, zu dem hier auch das Vorkommen bis in den Juli hinein gerechnet wird, liegen die Mediane beider Gebiete dicht beieinander (Helgoland 30. Mai, Westküste 26. Mai), nicht jedoch auf dem Wegzug (13. Sept. bzw. 28. Aug.). Zwischen den beiden Gebieten gibt es deutliche Unterschiede in der Häufigkeit (pro Jahr im Mittel auf Helgoland 75 Ind. und an der Nordseeküste 8 Ind.), wobei in beiden Fällen zunächst eine Zunahme (Westküste signifikant, Helgoland n.s.) und ab 1986 eine deutliche, signifikante Abnahme festgestellt wurde. Die Brutzeitbeobachtungen auf dem Geestrücken des schleswig-holsteinischen Binnenlandes entwickelten sich parallel: signifikante Zunahme vor 1986, starke, hochsignifikante Abnahme ab 1986. Die drei über 30-jährigen Datenreihen zeigen eine hohe jährliche Fluktuation, wobei die Jahressummen der Durchzügler (Helgoland, Westküste) nicht miteinander korrelieren, wohl aber die der Geest sowohl mit Helgoland als auch mit der Westküste. Ein Bezug zu Wetter- und Klimadaten (NAO-Winterindex, Sommergüteindex) konnte nicht gefunden werden. Der viel stärkere Heimzug lässt sich vor allem mit Zugprolongation erklären, der schwache Wegzug mit dem Fehlen von Durchzüglern aus Nordeuropa, wo die Turteltaube kaum brütet. Die abnehmenden Jahressummen der drei Unter­suchungsgebiete ab Mitte der 1980er Jahre gehen mit Bestands­rückgängen in der Nordhälfte Europas einher.

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