Die Vogelwelt Bd. 129 2/2008

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Schwerpunkte:
  • Der Niedergang der Rauchschwalbe in den westfälischen Hellwegbörden
  • Ändert sich der Mittelspecht oder die Umweltbedingungen?
  • Überwinternde Feldvögel auf nordostdeutschen Ökolandbauflächen
  • Nistplatzwahl und Siedlungsdichte der Elster in Novi Sad
  • Ringfunde des Wachtelkönigs aus Afrika und vom Sinai

Loske, K.-H.:
Der Niedergang der Rauchschwalbe Hirundo rustica in den westfälischen Hellwegbörden 1977–2007.
Die Rauchschwalbe hat in den Hellwegbörden im östlichen Kreis Soest (28,3 km2) von 1977 bis 2007 um rund 66 % abgenommen. Die Daten aus 13 Dörfern und 112 Gehöften zeigen, dass der Bestandsrückgang auch in optimalen Lebensräumen (Bachauen) hochsignifikant war. Seit einem ersten Bestandstief 1987 besserte sich die Situation bis 1998 vorübergehend. Von 1999 bis 2002 ging der Bestand dann weiter bis auf ein absolutes Tief von 54 Bp. zurück. Seit 2003 verharrt der Bestand auf niedrigem Niveau. Bis 2007 gingen 77 von 112 Brutplätzen verloren, vor allem kleine Höfe mit niedrigem, gemischtem Viehbestand; sie wurden zu Wohnungen, leer belassen oder zu intensiver Schweinehaltung umgebaut. Die Brutplatzverluste betrafen überwiegend subotimale Einzelbrutplätze oder kleine Schwalbenkolonien. Im Gegensatz dazu konnten große Kolonien ihren Bestand halten und in Einzelfällen sogar deutlich steigern, wenn die Brutplätze zugänglich blieben. Von 1977 bis 1987 war der Bestandsrückgang Folge eines reduzierten Bruterfolgs, insbesondere der 1. Brut. Hauptursache für die starke Abnahme ist das Verschwinden der strukturreichen Kulturlandschaft mit ihren – im Gegensatz zu Acker- und Silagegrünland – insektenreichen Schlechtwetter- Nahrungsgebieten. Indikatoren dieser Qualitätsverschlechterung sind die Intensivierung der Schweinehaltung, Rückgang und Modernisierung der Milchkuhhaltung und die Verstädterung der Dörfer durch übertriebene Sauberkeit und Hygiene. Die neuen Trends in der Tierhaltung (Boxenlaufställe für Rindvieh, Pensionspferdehaltung) bieten den Rauchschwalben keinen gleichwertigen Ersatz. Solange die Zukunftsperspektiven für die bäuerliche Landwirtschaft problematisch bleiben, bedarf die Art der weiteren Aufmerksamkeit des Naturschutzes.


„Obstbaumsavanne“ in der Gemarkung Bissingen mit altem Baumbestand.

„Obstbaumsavanne“ in der Gemarkung Bissingen mit altem Baumbestand und großen Mittelspechtbeständen.

Gatter, W. & H. Mattes:
Ändert sich der Mittelspecht Dendrocopos medius oder die Umweltbedingungen? Eine Fallstudie aus Baden-Württemberg
Im 631 km² großen Landkreis Esslingen (Waldanteil 30 %) wurden in den Jahren 2004–2007 mit Hilfe von Klangattrappen bei einem überwiegend einmaligen Erfassungsdurchgang 1114 Reviere des Mittelspechts gezählt (1,77 Reviere/km²). Selbst in großen zusammenhängenden Waldungen, in denen Teile altersmäßig oder von der Baumartenzusammensetzung für den Mittelspecht weniger geeignet erscheinen, wurden bis zu 12,6 Rev./km² festgestellt. Das sind Dichten, wie sie auch im Nationalpark Bialowieza (Polen) vorkommen. Gegenüber früheren Feststellungen hat der Mittelspecht stark zugenommen. In einigen Probeflächen, die seit den 1960er und 1970er Jahren kontrolliert werden, hat sich die Zahl der Brutpaare bzw. Reviere mehr als verdoppelt. Der Mittelspecht besiedelt heute zudem viele Wälder, in denen er vor 20 Jahren selten war oder fehlte. Außerdem erreicht er in Obstbaumwiesen als einem „Waldsavannentyp“ Dichten wie in optimalen Eichenwäldern, obwohl im Vergleich zu Wäldern nur etwa ein Zehntel der Holzmasse vorhanden ist. Aufgrund der vorliegenden Zahlen wird vermutet, dass der Bestand des Mittelspechts in Baden-Württemberg 10.000 Brutpaare deutlich übersteigt. Für die Zunahme des Mittelspechts werden neben milden Wintern als wichtige Ursache die Zunahme holzbrütender Insekten, das seit 50 Jahren anwachsende Durchschnittsalter der Wälder und vor allem der Flächenzuwachs grobrindiger wertvoller Edellaubhölzer in den früher reinen Buchenwäldern sowie schließlich die nachlassende Brutplatzkonkurrenz durch Star und Feldsperling angenommen.


Bellebaum, J.:
Röhricht, Kleegras, Stoppelfeld – überwinternde Feldvögel auf nordostdeutschen Ökolandbauflächen.
Mittels Punkt-Stopp-Zählung wurden Häufigkeit und Verteilung von Feldvögeln auf den Flächen eines großen Ökolandbau-Betriebes über drei Winter erfasst. Die meisten im Gebiet überwinternden Arten waren Samenfresser, Kleinsäuger fressende Greifvögel und Omnivore. Arten aus allen drei Gilden nutzten die ökologisch bewirtschafteten Flächen regelmäßig zur Nahrungssuche. Getreidestoppel und Feldfutter wurden am häufigsten genutzt und von Goldammer (Samenfresser) und Turmfalke (Greifvogel) bevorzugt. Das Vorhandensein ungemähter Streifen in Feldfutterflächen hatte nur geringe Auswirkungen auf überwinternde Vögel. Andere Arten nutzten und bevorzugten Gehölze als Deckung und Röhrichte als Schlafplatz. Goldammern zeigten einen temperaturabhängigen Wechsel zwischen Schwarmbildung bei Kälte und beginnender Revierbesetzung bei Erwärmung. Der infolge der Fruchtfolge des Ökobetriebs relativ hohe Anteil nahrungsreicher Flächen im Winter ermöglicht wahrscheinlich hohe Brutbestände von Gold- und Grauammer.


Tucakov, M. & I. Kucsera:
Nistplatzwahl und Siedlungsdichte der Elster Pica pica in Novi Sad (Serbien).
Während der Brutsaison 2007 wurden in Novi Sad, der zweitgrößten Stadt Serbiens, die Neststandorte von 128 Elsternestern analysiert. Der größte Teil der Nester wurde in Baumgruppen und kleinen Grünanlagen mit Baumbestand zwischen Gebäuden gefunden. Die Nester waren auf 24 Baumarten und einer Strauchart angelegt. Der größte Anteil der Nester (17 %) befand sich auf Platanen Platanus × hybrida. Die Nester befanden sich in 6–31 m Höhe (Durchschnitt 15,8 m) in durchschnittlich 1,3 m (0,5–5 m) Abstand zur Kronenspitze. Die Siedlungsdichte im Stadtgebiet ist positiv korreliert mit dem Grad an Urbanisierung der Probeflächen: 2,2 Paare/10 ha wurden auf der am stärksten urbanisierten Fläche gefunden, 2,1 Paare/10 ha auf der semi-urbanen and 1,6 Paare/10 ha auf der am stärksten ländlich geprägten Fläche. Die durchschnittliche Dichte betrug insgesamt im Mittel 1,97 und war damit für mitteleuropäische Verhältnisse relativ hoch.


Walther, B. A.:
Ringfunde des Wachtelkönigs Crex crex aus Afrika und vom Sinai
Im Zuge einer eingehenden Studie über die afrikanische Verbreitung des Wachtelkönigs wurden sieben Ringfunde zusammengestellt, die hier im Detail beschrieben werden. Bemerkenswert ist, dass alle Ringwiederfunde südlich der Sahara aus dem westlichen Südzentalafrika (d. h. Angola, Demokratische Republik Kongo und Republik Kongo) stammen und nicht aus den mehr östlich gelegenen Gebieten, die den eigentlichen Hauptanteil des Überwinterungsgebietes ausmachen. Es wäre demnach möglich, das westliche Brutpopulationen auch in Afrika in mehr westlich gelegenen Gebieten überwintern.

 

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